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Pinball rules - analog schlägt digital

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Mit knapp 60 Jahren ist es vielleicht ganz normal, dass man manche Ereignisse nicht mehr ganz korrekt einordnet. Die Jahrzehnte vermischen sich, Erinnerungen verschieben sich – und ehe man sich’s versieht, hat man Dinge in die falsche Zeitschiene gesetzt. Ein klassischer - altersbedingter Anachronismus eben. Als wäre es gestern gewesen, so lebendig sind die Erinnerungen an diese Zeit, an die hellen Lichter, das Scheppern der Kugel und das Klackern der Punkteanzeige beim alten mechanischen Flipperautomaten.

Eines meiner jugendlichen Highlights war es, gemeinsam mit dem Vater ins rosarote - verufene Mödlinger Zuckerlgeschäft zu gehen. Neben Kaffee, Kuchen und Süßigkeiten standen in einem kleinen Kammerl zwei alte Flipper. Gegen Einwurf von fünf Schilling (30 Cent) konnte der Spaß beginnen. Oft war das gar nicht nötig, wir hatten schnell herausgefunden, wie man Freispiele gewann bzw. auf halblegale Methoden erzwang. Nur ein „Tilt“ oder das ungeliebte Nachhausegehen beendete unsere Spielsucht nach den silbernen Kugeln. Heute gibt es das mythenumwoben Zuckerlgeschäft längst nicht mehr, inzwischen hat eine geniale Pizzeria („Ofenbarung“) das Lokal übernommen – allerdings ohne Flipper. Gerne sitze ich aber noch in diesem Raum und sehe viele Details aus vergangener Zeit vor mir.

Spielhallen zu meiner Jugendzeit waren oft gefüllt mit Flippern, die man auch „Pinballs“ nennt. Zahlreiche Firmen aus den USA und Europa produzierten diese in großer Stückzahl. Menschen jeden Alters erfreuten sich an dem sehr einfachen Kugelspiel zum Klang der Beats aus den Musikboxen (Wurlitzer). Der gesellschaftliche, analoge Aspekt stand eindeutig im Vordergrund – man traf sich, um gemeinsam zu spielen, zu tanzen und Zeit zu verbringen.

Neben vielen Lokalen fand man die meisten Flipper im Wiener Prater. Zahlreiche aktuelle und modernere Modelle waren hier zu finden. Waren es zu Beginn noch „Woodrails“, entwickelten sich die Flipper immer weiter im elektronischen Bereich. Die Ära der Dot-Matrix-Geräte war der Höhepunkt der Flipperära in den 90igern. Zahlreiche Filmthemen (Addams Family, Indiana Jones, Flintstones ...) und spektakuläre Themen (Twilight Zone, Monster Bash, Medieval Madness ...) wurden hier umgesetzt. Die digitale Welt der Computerspiele verdrängte aber immer mehr diese Art von Spielautomaten. In manchen Ländern wurden Flipper auch als jugendgefährdende Glücksspielautomaten eingestuft. Arcade-Spielautomaten wurden immer beliebter – einerseits bei der jungen Generation, andererseits bei den Aufstellern. Diese Automaten brauchten kaum Wartung. So kam es, dass diese oft 150 kg schweren ausrangierten Flipper auf dem Sperrmüll landeten. Sie hatten genug Geld eingespielt und fanden kaum noch Interessenten; eine Restaurierung wäre zudem viel zu aufwendig und kostspielig bzw. unwirtschaftlich gewesen.

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Auch mit dem Sterben der kleineren Lokale kamen immer mehr dieser Pinballs zurück in die Hallen der Aufsteller. Selbst neu gekaufte und original (NIB – „new in box“) verpackte Stücke fanden gar nicht mehr den Weg in die Aufstellung. Sie waren dort für Jahre einfach vergessen.

Ich selbst war von den digitalen Spielen nie sehr angetan. Meine Atari-2600-Spielkonsole wurde mehr von den Eltern benutzt, als ich sie in Verwendung hatte. Mein Wunsch nach einem eigenen Flipper war groß, das Kinderzimmer aber zu klein dafür. Durch Zufall erfuhr ich, dass einer der alten Flipper aus dem Mödlinger Lokal entsorgt werden sollte. Gegen meine Arbeitsleistung fürs Zusammenräumen durfte ich das gute Stück auf einem Leiterwagen nach Hause transportieren. In einem wettergeschützten Bereich des Hofes unseres Hauses fand er sein neues Zuhause, jedoch war er nicht mehr spielbereit. Einige Gummis waren altersbedingt gerissen, ein Flipperarm bewegte sich nicht mehr. Dank meines Nachbarn, der Elektriker war, erlernte ich, wie man diese Probleme schnell beheben konnte. Es war ein wenig wie Matador spielen – vergleichbar mit Lego-Technik, nur mit richtigem Werkzeug. Löten von Drähten, einfache Strommessungen mit dem Multimeter und das klassische "Schrauben" war schnell erlernt und nach ca. 20 gemeinsamen Arbeitsstunden stand der Flipper wie neu da. Vieles war an dem 20 Jahre alten Flipper mechanisch zu reparieren – von kompliziertere Elektronik war noch keine Rede. Der Spaß am Reparieren war fast größer als das Spielen selbst. Den zweiten Flipper aus dem Lokal erwarb ich kurz darauf nach Schlachtung meines Sparschweins für 130 Schilling (ca. 10 Euro).

Im Laufe der Jahre lernte ich die verschiedenen Technologien der Flipper kennen und teilweise zu reparieren. Waren sie zu Beginn noch einfache Kugelspiele bzw. Kugelbretter, entwickelten sie sich von mechanischen über elektronische bis hin zu computergestützten Maschinen. „Pinball 2000“ war das letzte Projekt der großen Flipperfirma Bally/Williams mit digitaler Technik, bevor die Firma für immer ihre Tore schließen musste.

Meine Sammelleidenschaft war nur durch das Platzangebot gebremst. Mein damaliger Hauptschuldirektor Helmuth Maderner unterstützte meinen „Spinner“ und ich durfte zeitweilig drei Flipper im Keller der Schule parken. Kinder, Schulwart sowie Lehrerinnen und Lehrer hatten ihre Freude daran. In freiwilligen Stunden lernten technisch interessierte Kids das Innenleben dieser Spielautomaten kennen.

Über den Flipper kam auch mein Interesse an Mopeds, Autos und letztendlich der Computertechnologie. Obwohl die Welt des Digitalen durchaus faszinierend ist, gilt bis heute meine Liebe den mechanischen und elektromechanischen Geräten. Jedoch half mir die digitale Welt, andere Flipper-begeisterte Menschen kennenzulernen. Meine erste Webseite, krug-online.at, galt dem Thema Flipper. Mit der Zeit meldeten sich immer mehr „flippernarrische“ Menschen, die teilweise den Keller bzw. Hallen voll hatten mit Flippern. Erwähnenswert dabei sind Hans Kollman, ein praktischer Arzt mit „Pinball-Therapie“ in seiner Ordination, Helmut Fichtenbauer mit ungeahnten Schätzen vergangener Tage in seiner Halle, und Jost Berger, der rund um seine gut 100 Flipper ein Kraftwerk für den notwendigen Strom betreibt. Meine kleine - geschrumpfte Sammlung besteht aus 5 Flippern: Medieval Madness, Monster Bash, Scared Stiff, Safe Cracker und meinem Liebling Indiana Jones. Unvergessen sind dabei nicht The Addams Family,  Creature from the Black Lagoon und Terminator 2.  Meine Schwester Andrea hat eine Twilight Zone und einen Party Zone Flipper.

Flippern ist kein Glücksspiel, sondern ein Gesellschaftsspiel mit Geschicklichkeitsfaktor. So kam ich auf die Idee, die österreichischen Flipperweltmeisterschaften auszurufen. Das APCR (Austrian Pinball Champion Race) war geboren. Das erste Turnier mit zwei Teilnehmern (Hans und ich) gewann ich und bin daher erster österreichischer Flipperweltmeister. Allein der Titel und die schräge Idee zeigen recht deutlich, dass der Spaß und der Schmäh im Vordergrund standen. Das Turnier entwickelte sich und wurde bald auf 44 Teilnehmer limitiert – mehr Platz und Maschinen gab es in der Jokerhalle des Praters nicht mehr. Zahlreiche Events schufen eine internationale Community rund um die Freude an den silbernen Kugeln.

Mittlerweile gibt es wieder einige Produzenten (Stern Pinball, Jersey Jack, Pinball Brothers, Pedretti Gaming...) dieser großen Maschinen. Die meisten Flipper werden heute an die Kinder von damals in den privaten Haushalt verkauft.

Aus Spaß wurde Ernst, heute gibt es professionelle Turniere mit Preisgeldern oder wertvollen Preisen. Die internationale IFPA-Leitung listet das Ranking und gibt die Spielregeln vor. Europa- und Weltmeisterschaften (www.epc2025.at) sowie eine Expo gibt es ebenfalls. Ein wenig Spaß ist dabei verloren gegangen – die alten Herren von damals haben sich zurückgezogen und spielen manchmal noch ihr eigenes humorvolles Turnier im Wiener Prater oder in  Ronald "Ronnie" Seunig´s Terra-Technica. Ebenso gibt es zahlreiche Flippergemeinschaften - Flippervereine in unserem Land. Union Flipper Sportverein, Vöcklabrucker FlipperSportVerein – FlippArena, Verein zur Förderung des Flippersports – FLIPPNIC, Flipperverein Kugelklopfa, Flipperasyl  und Pinball Monkeys Austria zählen dazu.

Dabei haben sich die rein digitalen Pinballs (VPIN -Spielfeld als Bildschirm) absolut nicht durchgesetzt. Die Software-Simulation eines Flipper-Automaten (Mame-Artikel) kann man auch kostenlos am PC spielen.  Auch die Pinball-Software für PC und Konsole war ein Highlight für kurze Zeit. Auch die hauseigene MS 3D Pinball App schaffte es nicht mehr in weitere Windowssysteme.

Der analoge Flipper ist zurück, man sieht ihn des Öfteren auch wieder in der Automatenaufstellung. Elektromechanische Gadgets am Spielfeld, coole -aktuelle Spielmotive, Spielwitz sowie animierende Musik- und Lichteffekte stehen im Vordergrund. Das Display ist zwar größer, farbiger und interaktiver geworden – das Spiel aber an sich findet am Spielfeld statt, die silbernen Kugeln fordern die Aufmerksamkeit des Spielers. Wie einst prägen die Haptik und das gemeinschaftliche Gesamterlebnis das Spiel.  Analog bleibt hier analog, mit ein klein wenig digitalem Touch.

Zugegeben: Ein Artikel über Flipper mag auf einer IT-Seite auf den ersten Blick deplatziert wirken. Doch gerade darin liegt seine Stärke. Er zeigt, dass die weit verbreitete Annahme, die digitale Welt verdränge das Analoge vollständig, nicht immer zutrifft.

Natürlich bringt das 21. Jahrhundert tiefgreifende technologische Neuerungen mit sich – von Künstlicher Intelligenz bis zur virtuellen Realität. Und doch behaupten sich bestimmte analoge Kulturgüter unerschütterlich. Flipperautomaten sind dabei nur ein Beispiel. Auch klassische Autos und Motorräder, das Kochen am alten Oma-Ofen oder das Wiederentdecken traditioneller Rezepte erleben eine neue Blüte. Ebenso erfreuen sich das Entdecken der Natur, das Restaurieren alter Gegenstände sowie kreative Formen wie Upcycling und Recycling zunehmender Beliebtheit.

Auch das handwerkliche Arbeiten – etwa Möbelbauen, Nähen oder Brotbacken – erlebt eine Renaissance. Vinyl-Schallplatten und analoge Fotografie feiern ihr Comeback, weil sie besondere Sinneserlebnisse bieten. Solche Aktivitäten fördern Gemeinschaftserlebnisse und entschleunigen unseren oft digitalen Alltag.

Gleichzeitig gewinnen handwerkliche und analoge Fähigkeiten auch im beruflichen Kontext wieder an Bedeutung – sei es im kreativen Bereich, in nachhaltigen Produktionsprozessen oder in handwerksnahen Berufen. Immer mehr junge Menschen entdecken Berufe mit praktischem Bezug neu – vom Tischler über die Schneiderin bis zur Bäckerin. Auch ehemals typische Massenberufe wandeln sich zu lukrativen Nischenfeldern, in denen Qualität, Individualität und echtes Können gefragt sind. Gutes altes Handwerk hat wieder goldenen Boden. Hinzu kommen menschliche Serviceleistungen, die sich nicht durch Maschinen oder KI ersetzen lassen: etwa in der Pflege, im Gastgewerbe, in sozialen Berufen oder in der persönlichen Beratung. Hier zählen Einfühlungsvermögen, erfahrene Expertise, Kommunikation und echtes zwischenmenschliches Gespür – Fähigkeiten, die kein Algorithmus nachahmen kann. 

In der Rückbesinnung auf das Analoge steckt nicht nur Nostalgie, sondern auch ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Wertschätzung. Diese Dinge verschwinden nicht, sondern werden neu interpretiert, geschätzt – und in die Gegenwart überführt. Gerade in einer schnelllebigen Zeit wie heute zeigen diese Beispiele, dass Altbewährtes nicht nur überlebt, sondern oft sogar einen besonderen Reiz in vielen Bereichen des Menschen ausübt. Die digitale Welt ergänzt das Analoge – sie muss es nicht immer ersetzen.

Webtipps: 

https://pindigi.at/

https://www.flipperdoktor.com/

https://www.rs-pinball.at/

https://www.house-of-pinball.at/

https://www.flipper-sv.at/

https://www.flipperasyl.at/

https://www.waldviertel.at/ausflugsziele/a-flippermuseum-lichtenau

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