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Revolution in Evolution 2.0

Vorabinfo

Dieser Artikel ist als Nachlese zu dem Vortrag Revolution in Evolution 2.0 geschrieben worden. Er ist vor allem für Lehrende gedacht.

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Eine Bestandsaufnahme nach 500 Tagen

Wie die Zeit vergeht. Genau genommen sind es bis heute 500 Tage. Das sind 12.000 Stunden oder 720.000 Minuten oder ca. 1,5 Erdumdrehungen um die Sonne. ChatGPT hat mir gerade bei dieser Überlegung bzw. Berechnung geholfen. Gut gemacht, junger Chatbot. Die Qualität der Antworten ist deutlich besser geworden.

Das digitale Leben und damit auch unser analoges Leben wird einfacher, wenn KI sinnvoll und dosiert eingesetzt wird. Für diese Überlegung brauche ich kein Excel mehr, ich habe die Frage einfach per Sprache in die ChatGPT-App meines Smartphones eingegeben. Wenige Sekunden später hatte ich die richtige Antwort. Wirklich praktisch.

ChatGPT gibt es auch als App für Android und iOS. Sowohl in der kostenlosen Version 3.0 als auch in der kostenpflichtigen Version Plus 4.0. In dieser kostenpflichtigen Version ist seit einigen Monaten auch Dall-E 3 integriert. Damit lassen sich per Texteingabe schnell coole Bilder erstellen. Ein bisschen schneller, ein bisschen besser - wir haben das Gefühl, dass ChatGPT nicht mehr ganz so viel frei interpretiert oder gar erfindet. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wir den Chatbot besser kennengelernt und richtig konfiguriert haben.

In diesen knapp 500 Tagen sind eine Fülle von Apps und Tools mit KI/AI-Unterstützung erschienen und bestehende gute Anwendungen wurden stark verbessert (z.B.: Leonardo.ai). Die meisten davon sind jedoch digitaler, oft kostenpflichtiger Schrott oder lieblose Klone. Gute - neue oder gar innovative Anwendungen sind eher die Ausnahme, ein Wechsel zu einem anderen Chatbot (Bing, MS Copilot...) eher die Ausnahme oder individuelle Geschmackssache. Unsere Top 5 der KI - Anwendungen haben wir in den letzten Tagen noch einmal überdacht, aber nicht verändert. Überzeugt haben uns nur die Anwendungen Wiseone (Eine Browser-Erweiterung für Google Chrome, die dir hilft, Informationen online besser zu lesen und schnell zu erkunden) und die eigene Stimme mit Elevenlabs.io in verschiedene Sprachen zu clonen. Lustig für zwischendurch fanden wir Suno, um eigene Songs zu schreiben. Witzig und mal was anderes für eine Stunde, aber für den täglichen Einsatz im Schulalltag nicht zu gebrauchen. Schon gar nicht als vorranginger Problemlöser oder konkrete Hilfe, um besser und schneller zu lernen.

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Umfragen aus der Schule

Fazit meiner evaluierenden Kinder aus meinem IKT-Schwerpunkt, befragten Klassen und einer Flut von E-Mails nach 1,5 Jahren: Wir haben alle Werkzeuge, die wir brauchen. Manches könnte im Detail noch etwas verbessert werden oder auch als App auf dem Smartphone verfügbar sein (Top 5 KI Apps for Smartphones), aber das ist Jammern auf hohem Niveau und eigentlich nur eine Frage der Zeit. Kritisiert wurden vor allem die vielen verschiedenen Arten von Apps und Plattformen, ihre vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten und vor allem der inflationäre Einsatz durch die unterrichtende Lehrkraft. Häufig werden die Produkte nicht anstelle einer analogen Möglichkeit eingesetzt, sondern zusätzlich - quasi als Drüberstreuen von Übungs- und Unterrichtsmaterial. Orginalzitat einer lieben Schülerin: " Bitte nicht noch mehr Übungsmaterial, ich verliere völlig den Überblick. Ich habe jetzt verstanden, dass weniger mehr sein kann."


Auch Lehrer Herbert kann beruhigt sein, alles läuft. Der anfängliche Stress, nicht auf dem neuesten Stand zu sein, hat sich gelegt. Alle notwendigen Töpfe sind in der Küche, weitere Anschaffung von Kochutensilien sind nicht notwendig (Vortragsvideo bitte ansehen, um den Vergleich zu verstehen). Er handelt nach dem Grundprinzio von Paracelsus ( Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift." Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist). Nun könnte man sich als Lehrerin - Lehrer beruhigt zurücklehnen und die KI machen lassen. Eine Revolution in der Evolution aus der Sicht des Lehrenden. Hurra!

Eine echte Revolution in der Evolution? 

Mit Spannung haben wir die letzten IKM Plus-Tests und die Zeugnisnoten erwartet. Die Erwartung einer Leistungssteigerung im Vergleich zu den letzten 1,5 Jahren sollte doch deutlich messbar sein. Aber nicht nur die schriftlichen Überprüfungen, sondern auch die Hoffnung auf eine Veränderung des Gesamtbildes mancher Klassen sollte doch spürbar sein. Doch die Enttäuschung nach dem Vergleich der Zahlen und Werte und vor allem den Gesprächen mit anderen Kolleginnen und Kollegen war insgesamt groß und hat den anfänglichen Hype um AI in der Schule schaumgebremst. KI / AI (alleine) ist in diesem Fall nicht die Lösung.

Das Ergebnis nach 500 Tagen sehe ich differenziert, mit einem lachenden und einem skeptischen Auge. Vor allem nach vielen kleinen Gesprächen und Diskussionen in verschiedenen Schulen und einer Flut von E-Mails zu diesem Thema sehe ich die digitale Welle (8-Punkte-Plan) an sich sehr differenziert. Das Interesse am Lernen mit digitalen Inhalten bzw. am Lernen mit digitaler Technik hält sich auf allen Seiten in Grenzen, die erhaltenen Notebooks bzw. Tablets zeigen erste (hausgemachte) Schäden, die einstige intensive digitale Welle erleidet in so mancher Diskussion Schiffbruch (Smartphonenutzung an der Schule, Rückzug aus dem eBook, Aufteilung der finanziellen Mittel für digitale Produkte in der Schulbuchaktion).

 

Vor allem bei den Kindern zeigen sich unterschiedliche Effekte in der Leistungsbereitschaft und im Kompetenzzuwachs. Ich möchte hier im Wesentlichen 3 ineinander übergehende Gruppen von Auszubildenden unterscheiden, man kann und darf dabei nicht alle über einen Kamm scheren. 

Kids, die gut sind und  immer besser werden

Die ohnehin schon guten Schülerinnen und Schüler wurden durch die KI-Unterstützung noch besser und konnten ihre kleinen Schwächen mit KI-Power ausgleichen. Das Lernen macht viel mehr Spaß, der sinnvolle Einsatz der Tools brachte nicht nur schulischen, sondern auch persönlichen Zuwachs und Erfolg. Man spart Zeit und lernt leichter. Man wird klüger - eine neue Art, sich Wissen anzueignen, Probleme zu lösen.

Diese Kinder haben durch die Technologie einen zusätzlichen Schub bekommen, um noch besser zu werden. Das zeigt sich auch in den Tests und in den Gesprächen in der Schule. Ob es nun die KI-Technologie war oder einfach nur der Input - etwas Neues, etwas neugierig Machendes - es hat geholfen. Ohne Zahlen zu nennen, aber es ist eine kleine Gruppe von jungen Menschen, die sehr engagiert sind, die klare und erreichbare Ziele für sich definiert haben.

Kids, die Defizite in den schulischen Belangen haben

Sie haben das Prinzip der KI-Power im Prinzip verstanden und wollen sich auch verbessern, klüger werden. Sie kennen die Werkzeuge, haben aber nicht die Vorstellungskraft, die Phantasie oder die Fähigkeit, sie zu nutzen. Sie brauchen die Hilfe von Menschen (sowohl Lehrern als auch Schülern), um den Nutzen der Werkzeuge zu verstehen. Sie scheitern oft an der Formulierung der Aufgabenstellung, weil ihnen die Sprache und der Ausdruck fehlen, um die Fragen zu formulieren. Es fällt ihnen sehr schwer, die Änderungen, die die KI an ihrer eigenen Arbeit vornimmt, konstruktiv zu bewerten. Sie würden gerne besser werden, haben aber die Grundlagen des Rechnens, Schreibens und Lesens und vor allem die Kombination und Anwendung dieser Kulturtechniken noch nicht gelernt.

KI/AI wird aus meiner Sicht zu früh eingesetzt, die schulischen und persönlichen Grundlagen sind nicht ausreichend entwickelt. Sie brauchen Menschen, nicht (nur) Maschinen, die sie auf dem Weg zu einem Niveau begleiten, auf dem die erste Gruppe längst angekommen ist. Eine Frage der Intelligenz, eine Frage der Zeit und des menschlichen Engagements. Eine Frage der Schule und ihrer Anpassung und Veränderung im Laufe der Zeit, eine Frage der Lehrinhalte, eine Frage der Menschen, die sie lehren...

Kids, die die Schule aufgegeben haben - Kids, die die Schule aufgegeben hat - Kids, die sich aufgegeben haben

Diejenigen, die aufgegeben haben, die keinen Sinn mehr im Weiterlernen sehen, die den Anschluss an die schulische Normalität nicht schaffen. Die sich mit den Inhalten der Schule nicht identifizieren können, manchmal auch einfach keine Lust mehr haben. Kinder, bei denen man als Lehrer hilf- und ratlos ist, man spricht von bildungsresistenten Jugendlichen. Diese Kinder sagen oft selbst, dass sie faul sind und machen keinen Hehl daraus. Originalzitat eines Schülers: "Egal, was in der Schule los ist, ich bin zu faul, um faul zu sein. Ich bin immer so, nicht nur in der Schule." Auch die Begründung durch Langeweile der vorgegebenen Inhalte ist eine immer wiederkehrende Antwort.

Nicht nur die Einstellung zur Schule, sondern auch die Ablehnung des persönlichen Klügerwerdens, des Wissens und der Techniken, welcher Art auch immer. Bildung im klassischen Sinne ist ihnen an sich gleichgültig. Manchmal ist sie ihnen sogar völlig egal, und sie machen auch keinen Hehl daraus, dass sie keinen Plan und keine Perspektive für ihr späteres Berufsleben haben. Diese Gruppe ist in manchen Klassen erschreckend groß und durch die digitale Welle nicht kleiner geworden, im Gegenteil. Für sie ist KI/AI kein Segen, sondern eher ein Fluch - eine Flucht - eine Sucht in eine andere - digitale - heile Welt. Sie brauchen Menschen statt Maschinen. Menschen, die mit ihnen nach ihren Stärken suchen und ihnen mögliche - erreichbare - Ziele aufzeigen. Menschen, die ihnen Hoffnung geben - die aus wenig viel machen können. Menschen, die Zeit für sie haben, die zu Hause oft fehlt...

Lernen auf Bedarf - eine Sinnfrage

Natürlich handelt es sich nicht um eine repräsentative Umfrage oder gar eine wissenschaftliche Untersuchung, aber der Grundtenor ist in vielen der befragten Schulen gleich. Die Frage "Wozu soll ich das lernen?" steht deutlich mehr im Vordergrund als die Frage "Womit soll ich das lernen?". Die Notwendigkeit, sich zu bilden, gesellschaftliche Werte zu tragen, ein Baustein einer funktionierenden Gesellschaft zu sein, wird dem eigenen egoistischen Treiben des Nichtstuns untergeordnet. In vielen Lehr- und Lerninhalten der Schule wird kein Sinn, keine Notwendigkeit für das spätere Berufsleben - Leben gesehen. Die digitale Welt dient nur der persönlichen FOMO - Unterhaltung. Digitale Tools wie ChatGPT werden zur Ausrede für fehlendes Wissen nach dem Motto: Wenn ich es nicht weiß, kann ich ja alles nachschlagen - wozu soll ich es lernen. Geistige Vereinsamung, gepaart mit schwacher Ausdrucksfähigkeit und Selbstüberschätzung bei geringem Selbstwertgefühl, ist unter Jugendlichen keine Ausnahme.  Die neue Selbstverwirklichung des Momentes wird zur Wurschtigkeit der Jahre. 

 Revolution - Entwicklung - Änderung

Was läuft schief, KI / AI ist doch (wieder) keine echte Revolution in der Evolution der Bildung, ein (noch) größeres Aufklaffen des Spaltes zwischen den oben beschrieben Gruppen ist die Folge. Was ist zu ändern? Woran liegt es? 

Die Schule hat sich im Laufe der Jahrzehnte entwickelt, aber sie hat sich kaum verändert. Wenn MANCHES offensichtlich NICHTS ist und sich entwickelt - dann entwickelt sich MANCHES oder einfach NICHTS. Genauso, wenn Inhalte schon analog, gelinde gesagt, Scheiße sind, werden sie durch KI oder Digitalisierung an sich nicht besser. Ganz im Gegenteil. Wesentliche Veränderungen finden dadurch nicht statt. Weder in den Klassenzimmern noch bei den Veränderungen in den Köpfen. Wir haben das zweitteuerste Schulsystem der Welt, aber jeder 5. Jugendliche kann nach der Schule nicht sinnerfassend lesen und beherrscht die Grundrechenarten nicht. Wir haben immer noch über 20 Fächer in 50-Minuten-Einheiten, in denen wir versuchen, das Wissen der Welt in die Köpfe zu pressen, was immer schlechter funktioniert. Eltern müssen mit ihren Kindern lernen, was sie nicht verstanden haben. Die dringend notwendige Entwicklung der eigenen Kreativität und das Erlernen von Teamfähigkeit bleiben im Schulalltag oft auf der Strecke und fehlen später im Berufsleben.  So kommt man mehr schlecht als recht durch die 9-jährige Schulzeit (wenn auch mit positiven Noten) und hat wenig Chancen auf einen vernünftigen Job. Es bleibt ein Leben mit wenig Chancen, mit schlechten beruflichen Aussichten.

Aber es ist nicht alles die Schuld der Schule, der Lehrerinnen und Lehrer. In einer Schule konnte ich im Eingangsbereich folgende Information auf einer Tafel lesen, die mich sehr beeindruckt hat. 

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Together is a beginning - working together is a progress - staying together is success.  Erfolgreiche Bildungssysteme beziehen die Eltern verstärkt in die Bildung ihrer Kinder mit ein.  Das wesentliche Ziel der Bildung ist, gemeinsam Menschen handlungsfähig zu machen - auf die Welt vorzubereiten.

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Schulautonomie im Vergleich mit einem Haus

Schulautonomie bleibt oft nur ein leeres Schlagwort, die gegebene Freiheit ist in vielen Bereichen nur eine scheinbare. Oder anders ausgedrückt: Die Geschichte der Schule wird traditionell interpretiert und ausgelegt. Etwas Neues zu schaffen, es anders zu machen, es zu versuchen - auch wenn es keine Garantie dafür gibt - es besser zu machen, scheitert oft schon im Planungsstadium. Nicht alle Lehrerinnen und Lehrer ziehen aus den unterschiedlichsten Gründen mit. Einzelne neue Ideen zu leben, passt nicht in die Struktur eines starren Gesamtstundenplans einer Schule und schon gar nicht in die Lehrerstundenorganisation.

Mathematik ist das Angstthema Nr. 1.  Das starre Schularbeitenmodell, das keine Wiederholung bei negativer Note kennt. Nächste Schularbeit - nächste Inhalte, auch wenn in Mathematik die Inhalte durchaus aufbauend zu sehen sind. Was im Hochschulbereich undenkbar wäre, eine Prüfung ohne positives Ergebnis einfach auszulassen, ist in der Pflichtschule tägliches Brot. Wesentlich verstandene Inhalte gehen dabei verloren, Mathematik wird immer undurchschaubarer, der Sinn rund um die Materie wird in Frage gestellt, die Freude am Gegenstand schwindet - von Spaß kann keine Rede mehr sein. Ein hoher Prozentsatz der Schulabgänger hat Defizite in den grundlegenden Bereichen der Mathematik (trotz positiver Noten), die bekannte - zunehmende Diskrepanz in unserer Gesellschaft wird zu einem wirtschaftlichen und sozialen Problem. Die Schule könnte helfen....könnte es ändern... Artikel (Mathematik - the  big 5)

Ich vergleiche es mit einem bestehenden Haus - ca. 250 Jahre alt. Für die damalige Zeit war es eine Revolution in der menschlichen Entwicklung. Aber es hat im Laufe der Jahre Risse bekommen, die Rohre sind geplatzt und die Fenster nach draußen sind trübe geworden. Jetzt hat man die Wahl.

1) Am sinnvollsten wäre ein kompletter Neubau, wobei sich die wesentlichen Bauelemente eines Hauses nicht geändert haben. Es gibt Fenster und Türen, Leitungen und Bauteile. Aber man kann sie neu bauen - neu anordnen, ohne Rücksicht auf alte Strukturen und sperrige Mauern.

2) Es ist auch möglich, das Haus zu sanieren, gute tragende Mauern stehen zu lassen und sich von verbrauchten - nicht mehr benötigten - Elementen zu trennen. Die Verschmelzung von Altbewährtem und NEU Gedachtem bringt Freude für alle. Jeder findet hier seinen Platz, seinen Raum, um Ideen zu leben.

3) Oder man lässt das Haus so, wie es ist. Die Fassade bekommt einen neuen Anstrich, ein paar Fliesen werden geklebt, die Rohre geflickt. Von außen sieht das Haus durchaus modernisiert aus, erst wenn man drin wohnt, sieht man die Baustellen. Man würde gerne etwas verändern, aber der Vermieter und die Mitbewohner lassen es nicht zu. Angst davor, dass das Haus wie ein Kartenhaus einstürzt.

So gibt es viele unterschiedliche Häuser in der Schulstraße. Ein spezieller Typ eines Haus kommt öfters vor. Ein Haus, in dem alle gleich bezahlt werden, egal was sie tun, wie viel und wie gut. Nur je länger sie darin leben, ändert sich ihr Lohn. Karrieremöglichkeiten bestehen vor allem auf politischer Ebene, ein beruflicher Aufstieg durch nachgewiesenes Engagement oder offensichtliche Berufung ist kaum möglich. Andere leistungsorientierte Anreize?

Fehlanzeige.  Weder für Lehrende noch Lernende. Aber wir leben in einer leistungsorientierten Gesellschaft. Wir erwarten in allen Lebensbereichen einen hohen Standard. Wir erwarten exzellente - fehlerfreie - ausgezeichnete Leistungen und Arbeiten. Wir erwarten Werte und Ziele (vgl. Kaizen-Theorie), die wir in vielen Lebensbereichen selbst  nicht vermitteln, ausbilden, trainieren oder gar vorleben. Es scheint, dass das Weiterwurschteln auch im Bildungsbereich zum österreichischen Weltkulturerbe gehört. Echte tiefgreifende Änderungen sind nicht in Sicht.

Eine Vision: Ein Haus, in dem innovative Ideen auf den Fundamenten des Systems und des traditionellen Minimalismus einiger weniger keinen Nährboden finden. Ein Haus, in dem Lachen und Lernen den Platz von Frustration und Stagnation eingenommen haben! Ein Haus, wo der Mut zur Veränderung unendliche Angst besitzt. Die Vorstellungen vom eigenen Traumhaus sind individuell, sie spiegeln selten den aktuellen Schulalltag wider. Die Bausteine für einen modernen und kindgerechten Bau wären eigentlich ausreichend vorhanden.

Mensch vor Maschine

Die Welt hat sich verändert, die Menschen haben sich verändert. Was früher als gut und richtig galt, ist heute in manchen Bereichen überholt. Der Leistungsgedanke ist in manchen Bereichen verloren gegangen, aber im privaten Bereich fordern wir 100% Leistung. Wer will schon von einem Arzt behandelt werden, der einige seiner Prüfungen während des Studiums nicht bestanden hat? Wer will sein Auto von einem Kfz-Mechaniker reparieren lassen, der nur eine mäßige Ausbildung hat? Uns reicht ein ausreichender Arzt, nein, wir wollen einen sehr guten oder gar exzellenten Arzt, der etwas kann. Der seinen Beruf versteht und liebt, der Spaß daran hat, der sich weiterbildet und mit Liebe bei der Sache ist. Aber bietet das die Schule, die Lehrerausbildung (Lehrerausbildung neu) oder die allgemeine Berufsausbildung?

Der Lehrermangel wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen, die Zahl der Lehramtsanwärter steht in keinem Verhältnis zum Mangel an pädagogischen Fachkräften in den Schulen. Die vorhandenen Lehrerinnen und Lehrer sind oft ausgebrannt und sehnen sich nach der Pensionierung, ein Bildungsflächenbrand in einer ohnehin so bewegten und turbulenten Zeit. Wenn es wirklich brennen würde, wäre die Feuerwehr so schnell wie möglich zur Stelle, um den Schaden zu begrenzen. Ein Bildungsbrand hingegen, auch wenn unser Bildungssystem zu den teuersten der Welt gehört, braucht Jahre an Reaktionszeit, um eventuell gelöscht zu werden. Ein Spiegel des wahren Wertes unserer Bildung. Dabei wäre es ein Leichtes, den Lehrerberuf wieder attraktiv und sinnvoll zu machen.

Eine Vision: Lehramtsstudierende werden dafür bezahlt, dass sie von Anfang an 90 Prozent ihrer Zeit in der Schule verbringen und in der Praxis für ihre Zukunft lernen. Sie lernen von Menschen, die seit Jahren im Beruf stehen und wissen, was möglich, gut und sinnvoll ist. Die Lehrerausbildung wird zur hoch qualifizierten Lehrausbildung nach der Matura, sie gehen wie früher in der Lehre üblich in verschiedene Schulen, um das Handwerk des Lehrens zu erlernen, Ihre eigenen Erfahrungen zu machen, ihren Weg im Unterrichten zu finden. Die Studierenden merken sehr schnell, ob sie die Berufung für diesen Beruf in sich tragen. Die heutige Ausbildung ist aus meiner Sicht wie jahrelanges Fliegenfischen auf dem Fußballplatz. Man fängt keinen Fisch dabei. Und wenn man dann endlich im Fluss angekommen ist, findet man sich nicht so leicht zurecht. Das eigentliche Fischen beginnt erst. Konkrete Hilfe fehlt oftmals...

Es ist nicht so, dass man nicht weiß, wo der Schuh in den Schulen drückt. Eine gute - ehrliche - Schüler - Lehrer - Beziehung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Erfolgreiche Bildungssysteme (asiatische und skandinavische Länder) schaffen Platz und Raum für diese emotionale Beziehungsebene. Und zwar nicht nur im Unterricht, sondern auch außerhalb. Wertvolle 1:1 Zeit, die keinesfalls outgescourct wird, bietet dem Kind die weit unterschätzte Möglichkeit des Redens und Fragens. Soziale Interaktion sind ein wesentlicher Schlüssel zum Bildungserfolg - zur Lehrerausbildung.

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Wissenschaftliche Untersuchungen, Lehrplanänderungen, Lerndesign und vor allem Herz, Hirn und der nötige Humor sagen einem als Lehrer, dass es einfach besser werden muss. Nicht der Geiz, sondern der Geist muss wieder geil werden, der Leistungsgedanke, das sich schlau machen, braucht einen neuen Stellenwert in der Schule wie auch in unserer Gesellschaft. Was zählt, ist vor allem die hohe Qualität des Unterrichts und nicht die Quantität. Evaluation und vor allem kontinuierliches & ehrliches  Feedback sind unbedingt notwendig und werden von den Kindern eingefordert, aber auch gerne zurückgegeben. Das Setzen und Erreichen kleiner Ziele, das Anknüpfen an vorhandenes Wissen, um junge Menschen handlungsfähig für ihre eigenständige Zukunft zu machen. Der Mensch in der Schule mit seinem Grundwissen und seinen individuellen Stärken muss wieder in den Mittelpunkt gerückt und sein Growth Mindset grundlegend ausgebildet und weiterentwickelt werden. Schule neu denken, sie dem Zahn der Zeit anpassen, ohne die Werte der Humanität des Menschseins zu verlieren. Das ist die eigentliche Revolution in unserer Entwicklung, ohne die es auf Dauer nicht gehen wird - nicht gut gehen kann.

Ideen (Perma.teach, 4K-Modell des 21. Jahrhundert, Stärkung der Persönlichkeit, Festigung der Basiskompetenzen, Entdecken der eigenen Stärken, ganzheitliches Lernen, Spaß und Freude an Bildung...) dazu gibt es durchaus viele. Zeit, Raum und vor allem innere Widerstände hemmen diese Prozesse und lassen sie, wenn überhaupt, nur in Nischen eines starren schulischen Rahmens existieren - vegetieren. Die Angst vor Veränderung ist groß, ebenso die Angst zu scheitern oder gar Fehler zu machen, ein Festhalten am Mut zur Beständigkeit tritt oft in den Vordergrund, auch wenn man selbst unter dieser Beständigkeit so mancher Irrwege leidet. Im Artikel "Eigene Träume leben - gesteckte Ziele erreichen - einen Plan B haben" gehen wir genauer darauf ein.

Die Schule als Ort, an dem man Rechnen - Schreiben - Lesen lernt. Aber auch seine persönlichen Stärken zu erkennen, fehlende Tugenden zu stärken und sich bestmöglich auf das vorzubereiten, was kommt, ohne zu wissen, was es ist. Lehrerinnen und Lehrer sind Vermittler zwischen einer bekannten Vergangenheit und einer unbekannten Zukunft. Gestärkt durch Lehrer & Mentoren zu sein für die bewegten Zeiten der Zukunft, von denen wir heute keine Ahnung - keine Informationen - keine Bilder haben. Jeder Mensch hat eine Begabung, diese gilt es zu finden und zu stärken, auf menschliche Weise.

MarieCurie

Evolution in Revolution - ein abschließendes Fazit

Die Wirtschaft lebt es vor. Unternehmen, die ins Wanken geraten sind, haben begonnen, sich umzuorientieren, alte Prozesse zu überdenken, einen Kompromiss mit der neuen Generation zu finden. Unternehmen, die an alten Konzepten festhalten, laufen Gefahr, von der Zeit und den Menschen überrollt zu werden. Stillstand ist Rückschritt und Rückschritt ist keine Lösung. Das gilt für Bildung auch.

Die österreichische Weinweltphilosopie  "Schau ma moi, dann seng mas scho, da kent ja jeda kummen, des war no nie, des führ ma uns gar net ei" hat in Zeiten von Wirtschaftskrisen, Inflation und drohendem Kriegsgeschehen ausgedient. Es ist Zeit für wichtige - rasche und direkte Veränderungen in unserer Gesellschaft in allen Bereichen.

Die künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben, um uns zu helfen. Sie ist nicht gekommen, um zu verdrängen oder zu ersetzen. Sie ist ein guter Baustein unter vielen, um Bildung intensiver und attraktiver zu machen. Weder Angst noch übertriebene Euphorie sind im Klassenzimmer angebracht. Dort, wo AI/KI im Unterricht Sinn macht, wird sie sich dauerhaft etablieren und ihre Berechtigung haben. AI-Anwendungen werden veraltete Schulstrukturen langsam aufbrechen, Platz & Raum schaffen für neue, zeitgemäße Inhalte für kommende, anders denkende und handelnde Generationen. Die digitale Welt ist jedoch kein Selbstzweck oder gar ein Selbstläufer, die Inhalte müssen strukturiert und konstruktiv begleitet bzw. angeleitet werden. Das ist auch die Grundidee unserer Plattform ikt4you.eu.

Lernen findet in Beziehungen statt, oder es findet nicht statt. Digitales - in welcher Form auch immer - ist kein Ersatz, sondern eine Unterstützung - eine mögliche Ergänzung. Der Einsatz von Smartphones, Tablets, Laptops und Internet im Unterricht wird von der Lehrkraft in seinem eigenen Ermessen dosiert und kann so Schritt für Schritt von den Kindern erlernt werden. Wertschätzende Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern, gegenseitiges Feedback, positive Verstärkung von Ideen und Talenten können nicht durch Bits und Bytes ersetzt werden. Wir sind weder an analogen Gegenständen oder digitalen Lerninhalten interessiert, sondern an Menschen, die uns Vorbilder sind, die uns auf spannende Weise etwas beibringen. Die uns Fehler machen lassen, unsere Kreativität  und unseren Teamgeist fördern und uns den Sinn des zu Lernenden erklären. Am besten lernt man von jemandem, den man mag - gerne auch mit sinnvoller digitaler KI - Unterstützung. Ziel ist es, das eigene Lebensglück zu finden und handlungsfähig zu sein. Das hat sich nicht geändert und wird sich auch nicht in zukünftigen Generationen ändern. Und das ist gut so.

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Webtipp: Die Kultur der Digitalität: Ein Paradigmenwechsel im Klassenzimmer - Micha Pallesche